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Rechtsanwalt Jochen König

Umsatzsteuern aus Betriebsfortführung im Vergütungsantrag

Autor: Jochen König

Thema: Insolvenzantragstellung und Begleitung im Insolvenzverfahren

Veröffentlicht am: 24. Februar 2022

Im Zuge der Betriebsfortführung vereinnahmte Umsatzsteuern sind in die mit dem Vergütungsantrag vorzulegende Überschussrechnung bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung einzustellen (BGH, Beschluss vom 07. Oktober 2021 – IX ZB 42/20).

Anmerkung

Der BGH berücksichtigt die Umsatzsteuer im Rahmen der Einnahmen aus der Betriebsfortführung und legt diese der Vergütungsberechnung zu Grunde. Ein überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Umsatzsteuer gerade vom Insolvenzschuldner als Steuerpflichtigen und Unternehmer vereinnahmt wird. Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt (Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL). Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist dabei jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, unabhängig davon, ob eine Gewinnerzielungsabsicht besteht.

Entscheidungsgründe

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus:

“Auf den Eigenantrag der Schuldnerin bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten Ende November 2014 zum vorläufigen Sachwalter. Ende Januar 2015 eröffnete das Gericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und berief ihn zum Sachwalter. Mit Beschluss vom 10. Juli 2015, mit dem es zugleich die Eigenverwaltung aufhob, bestellte das Gericht ihn zum Insolvenzverwalter. Als solcher führte er den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin noch bis Ende 2015 fort. Für seine Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter erhielt der Beteiligte eine Vergütung in Höhe von 26.957,59 €. Für seine nachfolgende Tätigkeit als Sachwalter wurde ihm eine solche in Höhe von 85.010,15 € zuerkannt. Mit Erstattung seines Schlussberichts im April 2019 beantragte der Beteiligte, ihm eine Insolvenzverwaltervergütung in Höhe des 2,9-fachen Regelsatzes, mithin von 216.179,46 € netto zu bewilligen. Das Insolvenzgericht hat ihm ausgehend vom 2,4-fachen Regelsatz zunächst eine Nettovergütung in Höhe von 157.540,11 € und letztlich – auf seine sofortige Beschwerde hin im Wege der Teilabhilfe – eine solche von 159.648,65 € zugesprochen. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte sein bisheriges Vergütungsbegehren weiter.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage hätten die von der Schuldnerin vereinnahmten Umsatzsteuern als gesonderter Posten außer Betracht zu bleiben. Sie seien vielmehr schon in die gebotene Überschussrechnung von Einnahmen und Ausgaben der Betriebsfortführung (mit insgesamt negativem Saldo) einzustellen. (…)

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

a) Das Beschwerdegericht hat die während der Betriebsfortführung von der Schuldnerin vereinnahmte Umsatzsteuer in Höhe von 390.569,03 € zu Recht nicht gesondert in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 InsVV eingestellt. Die vereinnahmte Umsatzsteuer ist lediglich ein Rechnungsposten bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV.

aa) Nach dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV aufgestellten Grundsatz werden bei der Ermittlung der für die Vergütungsfestsetzung gemäß § 1 Abs. 1 InsVV maßgeblichen Masse die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abgesetzt. Davon macht § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchstabe b InsVV jedoch für den Fall eine Ausnahme, dass das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird. Dann ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt.

Mit dieser Regelung werden zweierlei Ziele verfolgt. Zum einen wird durch die Berücksichtigung des bei der Unternehmensfortführung entstandenen Überschusses eine Erfolgsorientierung der Verwaltervergütung erreicht. Zum anderen soll verhindert werden, dass bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage lediglich die während der Betriebsfortführung erzielten Einnahmen einbezogen werden, ohne die zur Erzielung dieser Einnahmen notwendigen Ausgaben zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – IX ZB 5/13, NZI 2015, 187 Rn. 18). Ein durch die Fortführung erzielter Verlust verringert die Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 InsVV jedoch nicht, weil die Regelung nur zu einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage führen, hingegen ein während der Fortführung entstandener Verlust nicht von der Berechnungsgrundlage abgesetzt werden soll (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2005 – IX ZB 6/03, NZI 2005, 567, 568). Hat der Verwalter das Geschäft fortgeführt, ohne insgesamt einen Überschuss zu erwirtschaften, kann eine Erhöhung der Vergütung auf der anderen Seite nur über einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV erfolgen.

Der Vergütungsantrag des Insolvenzverwalters hat im Fall einer Betriebsfortführung daher auch eine gesonderte Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben zu enthalten. In die Überschussrechnung sind dabei alle Einnahmen und Forderungen und andererseits alle Ausgaben und Verbindlichkeiten aufzunehmen, die aus der Betriebsfortführung entstanden sind, ohne dass es darauf ankäme, ob die Forderungen oder Verbindlichkeiten bereits erfüllt wurden (BGH, Beschluss vom 2. März 2017 – IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 Rn. 7; vom 19. Dezember 2019 – IX ZB 72/18, ZIP 2020, 279 Rn. 10).

Der Senat hat in diesem Zusammenhang schon entschieden, dass es für die Einstellung in den Saldo gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchstabe b InsVV nicht darauf ankommt, ob mit den fortführungsbedingten Ausgaben der damit zu verrechnende Gewinn erwirtschaftet wird. Das ist bei vielen Ausgaben, etwa bei der Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträgen, namentlich aber auch bei der Umsatzsteuer, sofern eine solche anfällt, nicht der Fall. Auch wenn dabei meist öffentlich-rechtliche Verpflichtungen in Frage stehen werden, kann ohne die Befriedigung dieser Forderungen das Unternehmen nicht fortgeführt und demgemäß auch kein Gewinn erzielt werden (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014, aaO Rn. 20).

bb) Umgekehrt gilt für die Berücksichtigung von im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung durch einen Schuldner vereinnahmten Umsatzsteuern nichts Anderes. Entgegen der Rechtsbeschwerde kommt dem Umstand, dass die Umsatzsteuer hoheitlich entsteht und als solche nicht unmittelbar der Erwirtschaftung von Gewinnen dient, auch insoweit keine entscheidende, eine abweichende Beurteilung rechtfertigende Bedeutung zu. Die vereinnahmte Umsatzsteuer steht in untrennbarem und unvermeidlichem Zusammenhang mit den sonstigen Einnahmen und Ausgaben im Rahmen der Betriebsfortführung. So wie die abzuführende Umsatzsteuer einen Ausgabenposten im Rahmen der Saldierung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchstabe b InsVV darstellt, sind an die Schuldnerin gezahlte Umsatzsteuerbeträge, soweit sie nicht dem Zerschlagungssektor zuzurechnen sind (vgl. Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 1 Rn. 94), daher in diesem Sinne eine in den Saldo einzustellende Einnahme. Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Betriebsfortführung, der in der Betrachtung insgesamt real abzubilden ist (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014, aaO), würde verfälscht, blendete man die umsatzsteuerrechtliche Bedeutung einzelner Vorgänge in diesem Kontext aus.

(…)”

Resümee

Das Gericht hatte sich mit einer kreativen Idee zur Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters zu befassen; gab jedoch dem antragstellenden Verwalter hierzu eine Absage. Dabei ist es immer wieder bemerkenswert, mit welchen Themen sich das höchste Gericht gerade bei Vergütungsfragen zu befassen hat.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07. Oktober 2021 – IX ZB 42/20

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